Germann Auktionshaus AG
Teil I: Gemälde, Papierarbeiten und Skulpturen
Montag, 19. Juni 2023, 18:00 Uhr

Mikulás Medek, Zranění žluté barvy (Injuries of Yellow Colour)

Lot 106

Mikulás Medek, 1926-1974 (CZ)

Zranění žluté barvy (Injuries of Yellow Colour), 1965

Öl und Mischtechnik auf Leinwand.
H 1000 mm B 660 mm.

Verso signiert, datiert und betitelt: M. Medek, 1965, Zranění žluté barvy.

CHF80'000 / 120'000
EUR81'000 / 120'000
USD88'000 / 130'000

Zuschlagspreis: CHF 260'000

Provenienz:
Schweizer Privatsammlung, direkt vom Künstler erworben;
Schweizer Privatbesitz.

Expertise:
Wir danken Adéla Procházková und Eva Kosáková für die Bestätigung der Authentizität des Werks per E-Mail und für die freundliche Unterstützung bei der Katalogisierung.

Das Werk wird in das sich in Vorbereitung befindende Werkverzeichnis des Künstlers aufgenommen.

Anmerkung:

Das menschliche Schicksal, die menschliche Existenz in ihrer tragischen, malerischen und schmerzhaften Realität - das ist das wesentliche Thema von Mikuláš Medeks Schaffen.
Zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn findet der tschechische Künstler (1926-1974) im Surrealismus eine geeignete Haltung, um die Themen zu erörtern, die ihn beschäftigten. In vieldeutigen, teils ironischen Bildkompositionen mit langgezogenen Körpern und starker Farbgebung diskutiert er, der sich mit der kommunistischen Diktatur im Dauerkonflikt befand, den Umgang der menschlichen Psyche mit Repression, Gewalt und Perspektivlosigkeit.
Ende der 1950er Jahre vollzieht sich in Medeks Schaffen ein Wandel vom figurativen Surrealismus zur abstrakten Malerei. Der Künstler verbindet organische, mikroskopische Formen mit abstrakt geometrischen Elementen und Symbolen, wobei er die Kompositionen mit einer mystischen Dunkelheit der Farben akzentuiert. Medeks Malweise entwickelt sich in dieser Phase zu einem komplexen und langwierigen Prozess. In mehreren Schichten trägt er über Wochen Farbe auf die grossformatigen, teils auf dem Boden liegenden Leinwände auf. Er behandelt die Malschicht und die Farbe wie etwas Lebendiges: bearbeitet, zerkratzt und perforiert sie intensiv mit Spachtel, Messer, Pinsel und Fingernägeln. Das Gemälde Zranění žluté barvy (Injuries of Yellow Colour) von 1965 illustriert die eindringliche Wirkung dieses Malprozesses. Die Spuren der Verwüstung verleihen der Bildoberfläche eine reliefartige Erscheinung und das Leiden überträgt sich auf die gelb-goldene Farbe, es entsteht ein Kosmos mit schmerzhaften und geheimnisvollen Dimensionen.
Medek: "A painting is a kind of sensitive surface touched by a psychic event that, continuing the process of movement, leaves behind it an objective report of its existence within a system of tracks and impressions."¹
Sein abstrakter Surrealismus diente dem Künstler als Zufluchtsort vor quälenden Vorstellungen und den Bedrohungen des Lebens, der Malprozess als eine Art Katharsis. Er blieb auch in einem totalitären Umfeld, das der modernen Kunst und der geistigen Freiheit feindlich gegenüberstand, stets seinem künstlerischen und moralischen Kompass treu. In seinem relativ kurzen Leben schuf Mikuláš Medek ein Oeuvre, welches wegweisend für kommende Künstlergenerationen war und mit seiner Eigenständigkeit zu den bedeutendsten Positionen der tschechischen bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts zählt.

¹Mikulás Medek, in: Ausstellungskatalog. Bohumir Mraz, Mikulas Medek, Prag 1970, Seite 44.